Locker bleiben: Nachwuchsfußballer lernen in Konfliktsituationen mit "Köpfchen" zu agieren

Erstellt von Chiara Flick 26.02.2024

Sich untereinander messen oder im Gruppenzwang als Mitläufer zum Täter werden: All das sind potenzielle Konfliktquellen, die oft zu Gewaltanwendungen führen. Genau hier setzt Rainer Frisch, Gründer von der “Gesellschaft für Konfliktmanagement”, an und bringt den U17 Mannschaften in den Anpfiff Jugendförderzentren näher, was es heißt, Konflikte frühzeitig zu erkennen und eine gewaltfreie Lösung zu finden, was gerade in Zeiten eines immer größer werdenden Medienkonsums, der auch negative Beispiele vermittelt, von besonderer Bedeutung ist. Unterstützt wurde der Workshop von der Fritz Fels GmbH Fachspedition.

Gestartet wurde der Workshop mit einem intensiven Aufwärmspiel, bei dem sich die Jungs besonders auf ihr Umfeld, ihre Teamkollegen, aber auch auf sich selbst konzentrieren und den Fokus auf das Wesentliche legen mussten. Referent Rainer wollte somit sichergehen, dass alle bei der Sache sind, den Ernst des Themas verstehen und es sich auch für die Zukunft auf dem Platz zu Herzen nehmen, fokussiert zu sein und einen respektvollen Umgang zu allen Menschen – auf dem Fußballfeld, in der Schule oder später im Beruf – zu pflegen.

Schließlich ging es darum, seine bereits gemachten Gewalterfahrungen zu teilen und darum, wie Gewalt denn überhaupt entstehen kann, wenn sich doch eigentlich jeder darüber einig ist, dass Gewalt keine sinnvolle Lösung sein kann? Auch hier brachte eine Übung, bei der es dem ein oder anderen durchaus schwerfiel, sich darauf einzulassen, Aufschluss: Die Aufgabe war es, jemandem auf die Schulter zu tippen und ihm zu sagen, was in letzter Zeit Wut in einem ausgelöst hatte. Von “Mich regt die Verspätung der Bahn auf”, bis hin zu: “Ich bin unzufrieden, wie es in der Schule läuft”, fiel allen etwas ein. Rainer steigerte das Spiel allmählich: Statt auf die Schulter zu tippen, nahm er nun einen Holzknüppel und versetzte dem Gegenüber einen kleinen Stoß in die Hüfte – Es stellte sich heraus, dass alle diesem Beispiel folgten, obwohl die Anweisung, einem Mannschaftskollegen auf die Schulter zu tippen, gleichblieb. Genau das sei das Problem: “Gewalt ist eine Spirale, die sich hochschraubt. Ehe man sich versieht, ist man schon mittendrin”, erklärt Rainer den Jungs, “Es gehört viel Mut dazu, sich als Einziger von einer Gruppe zu distanzieren, wenn man merkt, dass sie im Unrecht ist”, fährt Frisch fort, “doch genau das ist für mich cool sein”. Auch gehöre zu cool sein, höflich zu bleiben, unseren Mitmenschen aktiv zu helfen und auch kleine Gesten wie bitte und danke zu sagen. Denn dies zahlt sich immer aus, was auch die Jungs für sich feststellen konnten. Es war nun also klar, dass Gewalt meistens daraus resultiert, dass man seine Grenzen aus den Augen verliert und anderen blind folgt.

Weiterhin packten sehr anschaulich erzählte Anekdoten aus Rainers Berufsalltag die Jungs: In seiner Zusammenarbeit mit gewalttätigen Menschen konnte er den Jungs auf Augenhöhe näherbringen, welche Gefahr von kleinen Rangeleien oder “nur” einem einzigen Faustschlag auf den Kopf ausgehen können. Der Anti-Aggressionstrainer geht dabei von einem behavioristischen Menschenbild aus und ist der Meinung, dass der Mensch “auf null” geboren wird und alles Verhalten erlernt sei, was bedeute, dass man es auch wieder abtrainieren könne. Daher sei es umso wichtiger, direkt im jungen Alter Gewaltprävention zu betreiben und für Konfliktsituationen zu sensibilisieren. Aber auch über das junge Alter hinaus sei es wichtig, das Thema immer wieder anzusprechen. So empfindet auch Heike Dinkel, Koordinatorin des sozialen Engagements bei Fritz Fels: „Uns liegt es am Herzen, lokale Projekte zu gesellschaftsrelevanten Themen zu unterstützen. Gerade in Zeiten, in denen die kulturellen Unterschiede wachsen, wollen wir für einen respektvollen Umgang miteinander und für Toleranz füreinander einstehen.“

Aber wie löst man denn nun Konfliktsituationen gewaltfrei? Zunächst einmal biete Sport eine gute Kompensation, was Frisch aus eigener Erfahrung weiß. Der ehemalige Rugby-Spieler maß sich gerne auf dem Rasen. Schließlich kann man hier am besten zeigen, was in einem steckt, ohne die eigene oder die Gesundheit eines anderen zu gefährden. Doch Gewalt, physisch oder verbal, kann uns in vielerlei anderer Alltagssituationen begegnen, in denen wir keine Chance haben, den Konflikt auf dem Fußballplatz auszutragen. Das Fatale dabei: Gewalt tritt oft im Zusammenhang mit Statusunterschieden auf, was die sogenannte Statuswippe und das K+K-Prinzip (Jeder Konflikt bringt eine Konsequenz mit sich) weiter erklärten. Rainer empfiehlt den Königsweg zu wählen, nicht auf die Konflikteinladung einzugehen, sondern ruhig und “mit Köpfchen” zu antworten, da ignorieren auf Dauer meistens nicht allzu gut funktioniert. So gibt er den Jungs Beispiele an die Hand, wie man selbstbestimmt und sicher reagiert, ohne die Situation weiter zum Überhitzen zu bringen.

Nach fast zwei intensiven Workshop-Stunden sind sich alle darüber im Klaren, was es heißt, seinen Mitmenschen respektvoll gegenüberzutreten und auch angespannte, knifflige Situationen selbstsicher und vor allem gewaltfrei zu meistern, was beides zwei wichtige Normen sind, die auch Anpfiff ins Leben seinen Nachwuchsspielern vermitteln möchte, um ihnen eine gewaltfreie Perspektive zu schaffen.